Pressemitteilung 22.04.2020

Intransparenz bei Lebensmittelkontrollen: foodwatch und FragDenStaat verklagen Land Berlin

Hunderte Behörden-Auskünfte mehr als ein Jahr überfällig

Tausende Berlinerinnen und Berliner warten vergeblich auf beantragte Lebensmittelkontrollergebnisse zu Bäckereien, Supermärkten und anderen Betrieben – in vielen Fällen seit mehr als einem Jahr. Bis heute sind bei den Bezirksämtern über die Online-Plattform „Topf Secret“ rund 3.600 Anträge eingegangen. Kein einziger Bezirk gibt die beantragten Kontrollberichte heraus. Die Betreiber der Plattform, die Verbraucherorganisation foodwatch und die Transparenz-Initiative FragDenStaat, haben deshalb jetzt Untätigkeitsklage gegen das Land Berlin beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht. Grundlage für die Klage ist ein Antrag beim Bezirksamt Berlin-Mitte aus Februar 2019, der bis heute unbeantwortet ist. 

„Die Menschen haben ein Recht auf Transparenz, ob es den Berliner Behörden gefällt oder nicht. Mehrere Oberverwaltungsgerichte haben den Informationsanspruch eindeutig bestätigt. Auch die Berliner Bezirke sind an die Gesetze gebunden und dürfen die Rechtsprechung nicht weiter ignorieren“, forderte Rauna Bindewald, Volljuristin und Campaignerin bei foodwatch. „Auch die aktuelle Corona-Krise kann die Untätigkeit der Behörden nicht erklären – hunderte Anfragen hätten laut Gesetz schon vor einem Jahr beantwortet werden müssen.“

Derzeit wird in Deutschland nur ein Bruchteil der Ergebnisse der amtlichen Hygiene-Kontrollen von Bäckereien, Supermärkten und anderen Lebensmittelbetrieben aktiv durch die Behörden veröffentlicht. Auf „Topf Secret“ ist es für Bürgerinnen und Bürger jedoch seit Anfang des vergangenen Jahres möglich, auf Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) amtliche Kontrollergebnisse abzufragen – auch solche, die die Behörden bislang geheim halten. Zudem können Verbraucherinnen und Verbraucher die Ergebnisse auf der Plattform veröffentlichen. Bundesweit wurden über „Topf Secret“ bislang mehr als 47.000 Anträge gestellt.

Im konkreten Fall hatte foodwatch im Februar 2019 die Ergebnisse der letzten beiden Lebensmittelkontrollen bei der Kantine des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz angefragt. Das zuständige Bezirksamt Berlin-Mitte hat die Anfrage auch 14 Monate später noch immer nicht beantwortet, obwohl die gesetzliche Frist gerade einmal zwei Monate beträgt. So ähnlich ergeht es den meisten der mehr als 500 Bürgerinnen und Bürger, die im vergangenen Jahr einen Antrag an das Bezirksamt Mitte gestellt hatten. In einigen Fällen hat das Amt mittlerweile reagiert, will die angefragten Kontrollberichte jedoch nicht übersenden. Die Menschen sollen stattdessen persönlich in der Behörde erscheinen. „Das Vorgehen ist selbst unter normalen Umständen rechtswidrig, aber gerade jetzt in der Corona-Krise vollkommen deplatziert: Einerseits sollen die Menschen möglichst daheim bleiben und soziale Kontakte vermeiden, andererseits bittet die Behörde um persönliches Erscheinen. Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel hat seinen Laden offenbar nicht im Griff“, sagte Arne Semsrott, Projektleiter bei FragDenStaat.

Auch die anderen Berliner Bezirke verweigern die Übersendung von Kontrollberichten bisher. Berlin-Pankow lehnt entsprechende Anträge ab, andere Bezirke antworten gar nicht oder geben nur unverständliche oder geschwärzte Informationen heraus. Auch Friedrichshain-Kreuzberg gewährt lediglich vor Ort in der Behörde Einsicht in die Dokumente, nach entsprechender Terminvereinbarung. 

Während sich in Berlin die Bezirke querstellen, gibt der Großteil der bundesweit rund 400 zuständigen Behörden die Kontrollergebnisse heraus. Bereits im vergangenen Jahr hatten foodwatch und FragDenStaat in einem Fall gegen die Verwaltungspraxis von Berlin-Spandau geklagt. Das dortige Bezirksamt hatte Anträge über „Topf Secret“ kategorisch abgelehnt. Eine Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts steht aus.